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Gipfeltreffen in Keld

Distanz: 20.18km

Dauer: 5:00h

Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.0 km/h

Temperatur: 21 Grad

Viehzäune: 16

Unsere heutige Etappe ist ein 20 km langer Weg, der von moorigen Landschaften, Schafwiesen, einem vorzüglichen Sandwich, einigen interessanten Begegnungen und auch nassen Füssen geprägt ist. Aber alles der Reihe nach…

Wow, in was für einem B&B wir übernachteten! Chrissie und Joe, ein Ehepaar in den 50ern, haben sich das B&B zu einer neuen Lebensaufgabe gemacht, nachdem ihre Kinder flügge geworden sind. Chrissie war nämlich früher Flight Attendant und dann im Interior Design tätig und Joe war Busfahrer. Ihr B&B ist so liebevoll eingerichtet. Jeder Wunsch wurde uns von den Lippen gelesen. Während wir frühstückten, kam Joe immer wieder ins Zimmer, fragte uns aus, scherzte mit uns und berichtete dann alles Chrissie, die in der Küche stand. Auf den Weg bekamen wir ein vorzügliches Sandwich und ein kleines Päckchen von Joe, das wir erst auf dem Weg öffnen durften. Ich war natürlich sehr neugierig, was darin sein könnte – vier Gummibärchen hatte er uns mit auf den Weg gegeben! Wir möchten unbedingt wieder bei ihnen vorbeigehen. Ja, Sämi und ich spielen mit dem Gedanken, im Frühling einen kleinen Roadtrip von Manchester nach Glasgow oder Edinburgh zu machen. Bis jetzt möchten wir unbedingt einen Tag in Grasmere und eben in Kirkby Stephan verbringen.

Kurz vor 9 Uhr brechen wir auf. Chrissie und Joe winken uns mit einem Taschentuch vom Fenster aus zu. Ich verspreche Chrissie, ich werde einen der Nine Standards für sie umarmen, denn unser heutiger Weg führt an diesen 9 mysthischen Steinhaufen vorbei. Zuerst aber führt er uns durchs Dorf, bevor er dann wieder ins Grüne abbiegt. Gerade vor uns läuft das Ehepaar aus Manchester. Sie sind beide wieder voll dabei! Wir überholen sie und machen uns an den 7km langen Aufstieg zu den Nine Standards. Wie gesagt: Das sind 9 Steinhaufen! Man weiss nicht, wann und warum diese gebaut sind. Während des Aufstieges trafen wir auch auf Mark. Er lag – wieder mit hochrotem Kopf – am Wegrand und war kaum fähig mir zu antworten. Als wir weiterliefen, überholte uns plötzlich ein dunkelblauer Mercedes. Sämi erkannte darin die anderen Gäste des B&B’s von heute Morgen. Wahrhaftig! Als wir fast oben ankamen, trafen wir auf diese 4 Amerikaner. Es sind 2 Päärchen, die sich vor Jahren auf diesem Weg kennengelernt hatten. Das eine Päärchen hatte den Weg noch nicht fertig gelaufen, somit machen sie ihn nun zusammen fertig. Sämi fachsimpelte dann kurz mit dem einen Ehemann, der für die Air Force arbeitet und beide sehr kartenfanatisch sind! Nachdem ich einen der Nine Standards umarmte, zogen wir weiter. Anmerkung von Sämi: Sie hat ihn sogar abgeknutscht!!

Der Weg führte, wie schon gesagt, durch mooriges Gebiet – richtig moorig. In unseren ersten Ferien vor 8 Jahren, waren Sämi und ich in Schottland. Auf der Isle of Skye haben wir eine unserer ersten Wanderungen gemacht und dort habe ich bereits die Bekanntschaft mit moorigen Gebieten gemacht. Ich bin damals bis zum Knie versunken. So schlimm war es heute aber nicht… Sämi lief voraus, ich hinter her. Ich wusste, ich müsste einen Sprung nehmen. Leider konnte ich nicht mehr abspringen, denn mein Schuh sass schon fest im Sumpf. Sämi zog mich wieder raus. Ich meinte, „ohne deine Hilfe, hätte ein Schaf mich retten müssen.“ Ich lief von da an voraus. Das führte natürlich zu einem weiteren Problem: Ich führte uns wieder direkt in ein anderes sumpfiges Gebiet… Dieses Mal traf es uns beide! Sämi übernahm von dann an die Navigation! Anmerkung von Sämi: wegen ihrer „perfekten“ Navigation bin ich dann innert drei Minuten gerade selbst bis zum Unterschenkel im Sumpf steckengeblieben. Ich weiss nicht, ob ihr das schon mal erlebt habt: Nass, stinkig und erdig…

Die Landschaft ist auch heute sehr eindrücklich. Von den Nine Standards hat man wieder einmal einen fantastischen Blick. Die ganze Gegend hier in den Yorkshire Dales scheint irgendwie so zu sein, wie die Erde noch nie gebraucht wurde. Mit Ausnahme der Schafe. Leider gibt es eine starke Bodenerosion. Aber die Schafe lässt man trotzdem…

Plötzlich im nirgendwo stossen wir auf eine Teerstrasse. Auf dieser herrschte viel Verkehr. Sogar die Polizei patroullierte. Wir haben uns gefragt, was sie suchen. Anscheinend suchten sie, ob es illegale Vogelfallen gibt. Wir machen uns zum Zeitvertreib einen Spass und kommunizieren mit einigen Schafen, bis wir zu einer Farm kommen, die in der Mitte des Nirgendwo steht. Die findigen Leute, die hier leben, bieten (müden) Wanderern Tee und vor allem Kaffee an. Ein absolutes Muss für uns (vor allem für Julia – Stichwort Kaffee). Wir wissen nicht, wieviel Generationen dort unter einem Dach leben. Unsere bestellten Getränke werden auf jeden Fall von einem Mädchen gebracht. Das Jüngste setzte sich gleich neben Sämi und belagerte ihn. Sie wollte wissen, wohin wir weiterziehen. Sämi zeigte es ihr auf der Karte. Sie konnte aber noch gar nicht lesen und wollte immer wieder, dass es Sämi ihr zeigte. Anmerkung von Sämi: Schliesslich will sie sogar mir die Karte wegnehmen – Räuberin!! In viel zu grossen Gummistiefeln stolperte sie dann davon und hüpfte mit einer anderen Schwester den Weg entlang. Unsere Pause dauerte nicht lange. Wir wollten zeitig in Keld ankommen und hatten noch eine gute Stunde, bis zum etwa eine halbe Meile entfernten Keld.

Hinter der Rezeption was zugleich die Bar war, war ein Mann am Werkeln. Eine Familie bestellte Getränke und Snacks, während wir auf den Zimmerschlüssel warteten. Endlich hatte er nun Zeit, uns das Zimmer und den Trockenraum für die Schuhe zu zeigen. Wir genossen es, endlich einmal mehr Zeit zu haben, um zu duschen und uns ein bisschen zu erholen, bis das Abendessen dann rief. Anmerkung von Sämi: Ich habe dann sogar ein spätes Mittagsschläfchen von einer Stunde hingelegt.

Im Restaurant assen alle, die die Route laufen und heute in Keld sind. Denn es ist hier der einzige Futternapf im Umkreis von 5 Meilen. Eine Art Gipfeltreffen. Viele haben von nun an den gleichen Laufplan. Man wird sich also mit grosser Wahrscheinlichkeit von nun an jeden Abend irgendwie treffen. Spannende Gespräche laufen und stehen noch an. Das Ehepaar aus Manchester ass gleich am Tisch neben uns. Eine Deutsche, die mir schone in paar Mal aufgefallen war, da sie soooooooo dünne Beine hat, ass gleich nebenan. Wir haben aber erst heute Abend erfahren, dass sie Deutsche ist. Ein anderes amerikanisches Ehepaar hat sich auch hier eingefunden. Für sie ist es die erste Europareise. Und zu guter Letzt habe wir wieder Mark getroffen. Er lebt noch! Er hat aber für Morgen seine Wanderung gestrichen und gibt auf. Seine Füsse schmerzen zu fest, dass für ihn der Weg zu Ende ist. Mit einem Glas Gin hat er vorhin seinen Abschied verkündet!

Der heutige Tag war auch für uns eine Art Sonntag. Der Weg war nicht mehr so hart, wie in den letzten Tagen. Das ist gut so, denn er fordert von uns viel Kraft. Das merken wir auch beim Laufen. Wir waren heute oft mit uns selbst beschäftigt. Jetzt haben wir Halbzeit. Es ist immer noch eine extrem spannende, schöne und auch lernreiche Reise.

P.S. Wenn ihr Keld auf einer Karte suchen wollt: es ist das ganz kleine Ding, bestehend aus 5 Steinhäusern. Mehr nicht…

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