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Fast Ferrari fahren über die Felder

(Werte nach Sämi)

Distanz: 12.9km + 19.65km

Dauer: 2:47h + 4:28h

Durchschnittsgeschwindigkeit: 4.6 km/h + 4.4 km/h

Temperatur: 20 Grad + 26 Grad

Viehzäune überquert: 48!!!!!!

Diese Reise ist sehr stark von drei Elementen geprägt: Als Erstes gilt es da sicher die Menschen zu erwähnen, die uns begegnen – sei das für kurz oder etwas länger, sei das als Mitwanderer, andere Touristen oder unsere Gastgeber. Das zweite Element ist die Natur: Ihre Gestalt, die sich innerhalb von wenigen Kilometern völlig verändern kann, das Wetter (das bis jetzt zum Glück kein bisschen englisch ist) und der Weg selbst. Gerade das Letztere entscheidet darüber, ob wir bis max. 6km/h oder eher 1.5 km/h laufen können.Für uns liegen zwischen diesen zwei Zahlen riesige Welten. Das letzte Element sind wir selbst: Wie gehen wir miteinander um, wenn wir über 7 Stunden zusammen Seite an Seite laufen, wie gehen wir mit uns selbst um, wie gehen wir mit der Zeit um. Dabei ist interessant: Wir haben mittlerweile die grösste Mühe den richtigen Wochentag zu nennen – auf die Frage, ob heute Samstag, Sonntag oder Ostern ist, müssen wir jeweils sehr fest miteinader diskutieren und dabei fast den Publikumsjoker einsetzen. An Tagen wie heute, steht für uns vor allem das dritte Element im Vordergrund, denn heute war das, was wir Transferetappe im Vorfeld genannt haben: über 30km durch eine Landschaft, die sich über Stunden nicht verändert und dabei nur wenigen Menschen begegnet.

Doch der Tag beginnt mit einem Menschen. Nennen wir sie Margret und sie ist ihres Zeichen die Besitzerin und Gastgeberin des B&B von Shap. Sie ist eine ältere, rundliche Dame, die sich nicht mehr so gut bewegen kann. Am Vorabend haben wir mit ihr vereinbart, dass wir um 7h30 frühstücken möchten. Um 7h25 sind wir unten. Das war zu früh für Margret. Sie schickt uns sofort in die Lounge. Sie würde uns dann schon rufen, wenn alles hergerichtet sei… Wir sitzen dort, ich blättere in Büchern über die Royals. Sämi nimmt ein vergilbtes Buch über den Coast to Coast Way in die Hand (die heutige Etappe sei langweillig…). An den Wänden hängen einige Bilder und Teller sonst ist ein ganzer Krimskrams an Sachen aufgestellt. Ich kam mir wirklich vor wie in Grossmutters Haus. Endlich durften wir nun den Raum wechseln und uns an den Tisch setzen. Auf den Tischen waren Kärtlein aufgestelt, wo drauf das Breakfast Starters aufgeführt waren. Mit uns waren noch ein Vater und eine Tochter aus London, die für ein paar Tage ein paar Etappen bestreiten und Mark, der heute und morgen eine Etappe läuft. Margret war mit uns 5 Nasen schlichtweg überfordert. Sie hat Sämi dann 3 mal gefragt, wie er gerne sein Ei hätte. Ich musste aus einer Liste aussuchen, mit was ich beginnen möchte. Zuerst gabs Müsli, die Früchte kamen im 2. Gang. Zum Müsli bekam ich aber keinen Joghurt. Der wäre für die Früchte gedacht gewesen. Müsli isst man nach Auffassung Margrets nur mit Milch. Beim Aufstehen vom Tisch sind uns dann noch die kleinen Papier Union Jacks auf jedem Tisch aufgefallen. Britischer geht es kaum. Ich war dann froh, konnten wir ihr Tschüss sagen. Gestern Abend haben wir im Pub nochmals Bruder Klaus getroffen. Er wird heute Nacht bei Margret schlafen. In Gedanken haben wir ihm viel Spass gewünscht, mit der eigentlich liebenwürdigen, aber auf ihre Art und Weise „too much“ Margret.

Kurz vor 9 Uhr laufen wir los. Da wir ja am Ende des Dorfes waren, mussten wir wieder ein Stück zurück ins Dorf. So zu sagen einen gratis Zusatzkilometer für den Start. Dort trafen wir gleich auf ein Ehepaar, das schon seit 26 Jahren verheiratet ist und den Weg nun zum 2. Mal läuft. Letztes Jahr haben sie es zum Hochzeitsjubiläum gemacht. Dieses Mal tragen sie aber ihr ganzes Gepäck mit sich. Wir überholen sie schnell. Unser Weg führt über die Autobahn M6. Diese führt unter anderem nach Schottland und ist einer der beiden wichtigstgen Verkehrsadern zwischen dem Norden und Süden des Landes. Das hatte mir Sämi natürlich berichtet! Dann verlief der Weg über Wiesen und vertrocknete Moorlandschaften. Anmerkung von Sämi: Mich hat das ganze sehr stark an die USA erinnert. Unendliche Weiten in sanften Hügeln verpackt. Anmerkung Julia: Ich fand die Weiten passten nicht in die USA, da es hier viel zu grün ist.

In der Ferne sahen wir immer den Vater und die Tochter aus London. Kurz vor Orton, ein Dorf, das wir nach 12 km erreichten, sass Mark im Gras – im Schatten eines alten Stalls zwischen Kuhmist und Gatter. Er war völlig erschöpft. Der Übergang zwischen den roten Haaren bis zum Kopf sind nur noch schwer erkennbar. Er nahm dann eine Abkürzung um nach Kirby Stephan zu kommen. Wir haben ihn jetzt heute Abend nicht gesehen, obwohl er uns versprochen hatte, dass wir uns im örtlichen Pub auf ein Pint Beer treffen würden. Hoffentlich hat er die Reise gepackt! Der Vater und die Tochter kehrten wie wir im ersten Kaffee in Orton ein. Sie redeten aber kaum mit uns, nachdem die Tochter uns gestern ausgefragt hatte und der Vater sowieso jeden in Grund und Boden redet. Dafür hat die Tochter im Kaffee die Schuhe ausgezogen und zog ein Gesicht, wie sieben Tage Regenwetter. Offensichtlich ist auch hier jemand bereits an seine Grenzen gekommen. Sämi und ich genossen unsere Mittagspause mit einem… Sandwich. Wir mussten uns stärken, da noch weitere 20 km auf dem Plan standen.

Weiter ging unsere Reise wieder über Wiesen, Felder und Moorlandschaften. Die Natur veränderte sich auf der ganzen heutigen Etappe nicht. Es ist aber eine eigene, sehr spannende Gegend: geprägt von sanften Hügeln mit vielen landwirtschaftlich genutzen Feldern. Das klare Wetter gibt auch den Blick auf eine Landschaft frei, die noch wenig ausser Landwirtschaft kennt. Die Landwirtschaftsflächen werden immer wieder durch längere, unter Naturschutz stehende Moorlandschaften abgelöst. Diese sind im Moment sehr trocken und haben uns das Leben ausgesprochen einfach gemacht. Es ist schwer vorstellbar, was das für eine Schlammschlacht bei nassem Wetter heute gegeben hätte.

Landwirtschaftlich steht die Schafszucht offensichtlich im Zentrum. Sämi war von den Schafen ganz hingerissen. Er wollte unbedingt eines streicheln und einfangen. Natürlich ist es ihm bis jetzt nicht gelungen. Wer weiss, ob er es bis am Ende unserer Reise einmal schafft? Anmerkung von Sämi: Sie sind wirklich super süss und es gibt sie in allen Variationen und Formen: Klein, gross, weiss, braun, schwarz, flauschig, zottelig, frisch geschoren, halb geschoren, frisch geduscht, nie geduscht, mit komischen Kopfformen, mit Hörnen, ruhige, liegende, schlafende, kämpfende… Wirklich faszinierend. Ausser wenn eine ganze Herde los MÄHHHHHD… Das ist dann ziemlich laut.

Ein paar Mal mussten wir aber auch wieder durch eine Kuhherde hindurch, was wir beide nicht immer so prickelnd empfanden. Eine Kuh(!) mit Nasenring starrte uns an, andere versperrten uns den Weg, wieder andere kamen auf uns zu, während der Bulle etwas erhöht über seine Herde thronte und uns verdankenswerterweise passieren lässt.. Aber zum Glück vernahmen wir aus ihren Reihen kein Schnauben mehr. Daneben durften wir heute auch durch kleine Pony- und Pferdeherden hindurchgehen. Immer durch ein Tor, eine Tür oder eine kleine Leiter voneinander abgetrennt… Allgemein hatte man heute den etwas übertriebenen Eindruck, dass man die Steine der letzten Tage heute einfach durch Kuh- und Schafsmist vertauscht hatte.

Die letzten Kilometer zogen sich dahin. Sämi wurde stiller. Ich merkte, ihm verging die Lust und er wollte einfach ankommen. Hohe Hecken säumten den Weg der ins Dörfchen führte. Zum Glück fanden wir heute sehr schnell unser B&B. Chrissie und Joe empfingen uns überschwänglich. Wir aber hatten zuerst einmal das Verlangen nach Ruhe und einer Dusche! Wir sind völlig fasziniert von den Details, die wir in unserem Zimmer vorfinden. Alles ist äusserst liebevoll beschriftet.

Heute konnten wir endlich wieder einmal Gas geben. Die Bodenbeschaffenheit liess es zu, dass wir oft 5km/h laufen konnten und so in einer guten Zeit am Ziel ankamen. Dazu kam, dass uns auch niemand auf den ganzen 2 Etappen überholte. Wir düsten über die Wiesen und Felder bei strahlendem Sonnenschein. Es war um Welten nicht so heiss wie in der Schweiz und zum Glück regnete es nicht!!! Aber dennoch:Die wenigen Menschen denen wir heute begegnet sind, waren der fixen Überzeugung, dass heute ein ausgesprochen heisser Tag war.

Joe reservierte uns in einem super feinen Restaurant einen Tisch. Als wir auf dem Heimweg waren, habe ich durchs Fenster des Pubs die ältere Frau von dem Ehepaar aus Manchester erblickt. Ich bin richtig froh, dass sie nun auch hier sind. Wir wissen noch nicht, was sie in den letzten beiden Tagen erlebten. Wir nehemen aber an, dass wir sie morgen irgendwo auf dem Weg erblicken werden.

Wie verbringen Sämi und ich eigentlich so viel Zeit Seite an Seite? Ab und zu hängt jeder seinen Gedanken nach, ist mit der Bodenbeschaffenheit oder mit sich selber beschäftigt. Da der Weg heute nicht zu viel Konzentration von uns abverlangte, hatten wir auch mal Zeit einfach zu plaudern, Zukunftsideen zu spinnen, neue Ferienpläne zu schmieden… Wir redeten natürlich auch über den Weg, den wir am Bestreiten sind und sind einander unendlich dankbar, dass wir dies gemeinsam erleben und daran wachsen können. Unser Problem ist hier, dass wir extrem Mühe haben unsere Körper nach einem Wandertag wieder runterfahren zu können. Das wird dann wohl erst nach dem letzten Wandertag funktionieren…

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