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Duden: Gorillaaktion, die

(Werte nach Sämi)

Distanz: 24.3km

Dauer: 7:45

Durchschnittsgeschwindigkeit: 3.1 km/h

Höchster Punkt: 810m, bei einem Gesamtaufstieg von 1‘210m

Temperatur: 22 Grad

Viehzäune überquert: 21

Das liebenswerte B&B hat uns auch heute Morgen mit der Einzigartigkeiten der englischen Küche in Berührung gebracht. Doch meine Augen fingen gleich an zu leuchten, als es Hash Browns gab. Zusammen mit Speck ist es meiner Meinung nach, das warum man immer English Breakfast nehmen sollte, wenn man die Möglichkeit hat.

Viele Wanderer (oder C2Cer) sind fast gleichzeitg auf die heutige Etappe gestartet. Wir haben ihnen ein paar Minuten Vorsprung gelassen. Von unserem B&B ist auch eine Vierergruppe gestartet, die ich gestern Abend bei ihrer Ankunft (wir haben sie von unserem Fenster aus gesehen, liebevoll die Bourbakie-Gruppe getauft habe. Wir durften gestern noch ein kurzes Gespräch mit der einen Frau aus dieser Gruppe führen – während ihr Mann auf dem Bett Dehnübungen machte. Neben den Bourbakies hatten wir auch ein Paar aus Holland vor uns (wir haben sie bereits im Zug nach St Bees entdeckt). Doch schon nach wenigen Kilometern haben Julia und ich souverän die Führung übernommen. Wir kamen an den Anfang des Lake District. Dies ist ein englischer Nationalpark, dessen Schönheit wirklich atemberaubend ist. Der Lake District fängt, wie es der Name bereits sagt, mit einem See, dem Ennerdale Water, an. Wir durften die ganze Länge dieses Sees ablaufen. Dabei gab es immer wieder Abschnitte, die durch kleine, magische Wäldchen führten. Man konnte fast dife Elfen aus dem Efeu springen sehen. Nach dem See bogen wir in einen kleinen Wald ein. Was den ganzen Tag auffälig war, war die Dichte von Menschen. Man merkts, dass viele Menschen in England den Lake District für Wanderungen nutzen

Julia und ich haben uns entschlossen, dass wir für den nächsten Teil des Weges getrennt laufen werden. Während sie weiter durch den Wald gehen wollte, entschloss ich mich eine vier (Berg-)spitzen umfassende Krete in Angriff zu nehmen. Dafür musste ich aber zuerst auf einen Schlag 750 Höhenmeter in einer fast geraden Linie nach oben laufen. Die Holländer haben sich kurz nach mir ebenfalls auf diesen Weg gemacht. Ich weiss aber nicht, ob sie den Weg gepackt haben. So begann die erste Gorillaaktion dieser Wanderung. Für alle, die keine Erfahrungen mit Wanderungen mit mir haben: Gorillaaktionen zeichen sich dadurch aus, dass man irgendwo nach oben stürmt und dann meist einen (eigentlichen unnötigen) Weg in grosser Geschwindigkeit zurücklegt. Berühmte Beispiele sind die Aktion Black Cullins auf der Isle of Skye mit Ramon oder der Trollheta in der Finnmark mit Lars. Und nun auch diese vier Spitzen. Ich stopfe mir die Kopfhörer in die Ohren und ab gehts nach oben. Unter den Tönen von Hans Zimmer Time habe ich das Gefühl, die Anspannung und den enormen Stress der letzten Monate hinter mir zu haben. Ich spüre, wie Wesentliches und Unwesentliches klarer werden und wie, ja fast ins Reine mit mir komme. Es tut unheimlich gut: Die Kombination zwischen körperlicher Anstrengung, Musik und umwerfender Natur.

Nach gut einer Stunde erreiche ich den Red Pike. Ich war ehrlich gesagt nicht auf diese Aussicht gefasst. Da das Wetter schön und der Himmer extrem klar ist, sieht man bis weit nach Schottland. Man sieht das Meer, die verschiedenen Seen des Lake District und die mächtigen Hügel. Die vier Leute die ich oben antreffe, beschweren sich über die hohen Temperaturen. Ich entschliesse mich, jeden Gipfel jemandem oder etwas aus dem letzten Jahr zu widmen und mir jeweils am Top ein paar Minuten entsprechend Zeit zu nehmen. Kurz entschlossen wird der Red Pike zuerst mir selbst gewidment – egoistisch wie ich bin. Unter den Klängen von Polo Hofers Stilli Wasser geniesse ich den Ausblich und denke nach: „U weme luegt iz stille Wasser gsehtme d Wolke gespieglet drinn. U aus wo obe isch, das isch ou unge und alles überchunnt si Sinn“. Ich trinke fast meine gesamten Reserven auf und esse die letzten Schokoreiswaffeln…

Dann geht es weiter: einen kurzen (einfachen Abstieg) und dann rauf auf den höchsten Punkt des Tages. High Stile erwartet mich. Ihn widme ich einem nicht genannten Familienmitglied. Ich stehe oben, hör ein Stück und widme die paar Minuten dieser Person.

Es folgt ein kurzer Abstieg und eine längere Traverse auf den High Crack. Ich merke, dass ich länger für die Aktion als die vorausgesagten 3-3 ½ Stunden brauchen werde. Die Kopfhörer musste ich auf der Strecke dorthin abziehen, da der Weg langsam viel Konzentration benötigt (von einem wirklichen Weg kann auch nicht mehr die Rede sein). Den Gipfel habe ich kurz entschlossen Laurin (und natürlich Finn), Sophia und Alexander gewidment… Und zu deren Ehren trinke ich das letzte Bisschen Isostar aus meiner Flasche. Aber nach gut einer Minute trete ich die Flucht an, da ein paar hundert Midges beschliessen, mich bei lebendigem Leibe aufzufressen. Die Flucht führt nach unten auf den Scarth Gap Pass. Wobei von einer Flucht kann nicht die Rede sein. Der Weg, den ich bis zu diesem Punkt auf einen guten T3 einschätzte, ändert innert wenigen Meter hin zu einem extrem steilen T4 – eine wirklich komische Veranstaltung, so ganz ohne Markierungen oder etwas. Ich mache mir eine geistige Notiz: Englische Landkarten lügen gedruckt… Es wird wirlich steil und steinig. Loser Schotter bildet den ersten Untergrund und wechselt dann in einen blanken Felsweg, den irgendjemand, wahrscheinlich noch mit gutem Vorsatz, in den Berg gelegt hat. Steil und blank… gute Voraussetzung für einen Ausrutscher. Aber ich bleibe gottseidank verschont.

Nach dem Pass geht es auf der anderen Seite wieder rauf. Und hier hört der Spass definitiv auf. Es gibt mehrere Krakselstellen, die selbst in der Schweiz eine T5 Wanderung ausmachen würden. Ich bin immer noch schockiert über die Menschen, die mir dabei entgegen gekommen sind: Halbhohe Schuhe oder sogar Turnschuhe. Ich fühle mich fast wie ein ängstlicher Anfänger. Der Hay Stacks verlangt nochmals einen kleinen Tribut ab. Oben angekommen wird auch er etwas gewidmet: Operation Idefix und einer anderen Operation (für die, die nicht wissen, was die Opertion Idefix war, empfehle ich eine kurze Googlesuche).

Dann beginnt eine neuerliche Traverse, die wieder einiges an Konzentration verlangt. Nach gut vier Stunden Gorillaaktion treffe ich am abgemachten Punkt auf dem Honister Pass ein und stelle fest, dass Julia nicht da ist. Im Shop werden zuerst mal meine Getränkereserven aufgestockt und dann entschliesse ich mich draussen vor dem kleinen Kaffee, so positioniert, dass ich jeden sehen kann, auf Julia zu warten. Nach ¾ Stunde laufe ich beim danebenliegenden Youth Hostel vorbei. Vielleicht war sie doch (wie erwartet schneller) und hat sich einfach nicht so schlau irgendwohin gesetzt. Fehlanzeige. Das lässt nur einen Schluss zu – sie muss bereits weitergelaufen sein. Ich drehe mich um und geh in Richtung Shop um nochmals etwas Wasser zu holen, als sie in diesem Moment von hinten kam.

Nachdem Sämi und ich uns voneinander verabschiedeten, machte ich mich auf den Weg durch den Wald. Mit dabei hatte ich mein iPhone, auf dem ich immer wieder schauen konnte, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde. Das übrige Kartenmaterial war bei Sämi im Rucksack. Für knappe 7 Kilometer konnte ich einem relativ gemütlichen Weg folgen. Immer wieder traf ich auf Schafe. Wenn ich einem näherte, rannte es ziemlich gleich weg. Danach gab es keinen richtigen Weg mehr. Per App merkte ich auch, dass ich nicht mehr auf der Route war. Ich kletterte somit einen Hügel hoch, damit ich wieder auf der angezeigten Route war. Plötzlich ging es dann bergauf. Ich musste nicht über 700 Höhenmeter wie Sämi eklimmen. Bei mir waren es ein bisschen mehr als 600. Immer wieder kontrollierte ich, ob ich richtig laufe. Oben auf der Krete hatte es extrem viel Wanderer. Ich schaute mich immer wieder um und dachte, vielleicht sehe ich Sämi irgendwo! Fehlanzeige! Ich machte mich an den steinigen Abstieg zum Honister Pass. Dort angekommen holte ich mir zuerst einen Kaffee und setzte mich draussen hin, so dass ich Sämi sehen könnte, wenn er kommen würde. Ich fand es komisch, dass er nicht kam, da ich den Eindruck hatte, dass ich extrem an Zeit verloren hatte, da ich ja vom Weg abkam. Auch beim Aufstieg war ich nicht besonders schnell unterwegs. Die Zeit verstrich und Sämi kam nicht. Ich konsultierte nochmals die App mit dem angezeigten Weg. Es gab noch weiter unten einen Parkplatz mit Verpflegungsmöglichkeiten. Hatte Sämi doch diesen gemeint und ich warte nun am falschen Ort? Leider hatte ich auch kein Netz, somit konnte ich überhaupt nicht reagieren. Ich entschied mich zum Parkplatz, der 1 Meile entfernt lag zu laufen und schauen, ob er dort ist. Er war dort auch nicht. Ich begann mir Sorgen zu machen, versuchte ihn anzurufen. Er hatte aber keinen Empfang, das so viel bedeutete, er war noch irgendwo oben! Nach ein paar Minuten des Wartens entschied ich mich wieder hoch zu laufen und zu schauen, ob er in der Zwischenzeit dort angekommen ist. Ich vermied dieses Mal den steinigen Wanderweg zu nehmen und lief einfach der Strasse entlang. Fast oben angekommen, habe ich eine Familie und ein älteres Ehepaar angetroffen, die mir beide bestätigten, dass sie Sämi vor etwa 20 Minuten gesehen haben. Ich beschleunigte mein Tempo und konnte Sämi auch gleich sehen. In Tränen aufgelöst umarmte ich ihn. Er verstand nicht ganz, dass ich so in Sorge um ihn war. Als wir uns dort oben wiedersahen, schenkte er mir ein Herz aus Schieferstein – es ist wunderschön! Gemeinsam liefen wir nun den Weg wieder runter. Wir waren noch maximal 1 Stunde unterwegs, bis wir unser Hotel erreichten. Wir haben heute ein grosses Zimmer mit einem eisigen Fliesenboden. Ich schaue, dass ich möglichst nur in Schuhen, den Boden berühre! Nachdem wir ziemlich gleich nach der Ankunft duschten, genossen wir eine Stärkung in der Riverside Bar. Rund ums Hotel ist ein wunderschöner Park angelegt, in dem jetzt noch ganz viele Hotelgäste die letzten Sonnenstunden des Tages geniessen. Wir haben uns aber nach dem Abendessen ins Zimmer verzogen, noch eine Tasse Tee getrunken und widmen uns unserem Blog !

Eine Antwort

  1. Anja und Siro

    Danke für Euren Blog. Bei uns im Büro jeden Tag Pflichtlektüre 😉

    Juli 4, 2019 um 9:20 am

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